Harald Hauswald:
»Auf ein Neues«


Text von Peter Wawerzinek zur Präsentation im »Denkzeichen 4. November 1989«, Leuchtkasten auf dem Berliner Alexanderplatz, 4.Februar bis 3. Mai 2002

Berlin, Hauptstadt der DDR. Eine Demonstration sollte es werden. Ist zu Ende oder kommt nicht mehr zustande. Alle Himmel öffnen sich. Klatschen mit Wolkenbruch und Wassermassen einen fürchterlichen Beifall. Tropfengeschwader prasseln hernieder. Regenschauer peitscht die junge Garde auseinander. Eiskalt schlägt die Dusche zu. Zerreißt den Aufmarschblock. Guss um Guss werden die Fahnen voll. Sind schließlich nur noch lästige, schwer zu bewegende nasse Lappen. Knattern nicht im Wind, sondern watschen gegen übertrieben lange Latten. Verstellen den Fahnenträgern die Fluchtwege. Ein einzelner Niederschlag macht sie zu Kämpfern der absonderlichen Art. Pitschnasse arme Hunde. Sozialistische Spottfiguren. Komische Gestalten. Eher eine Horde lanzenschwingende Don Quijotes, die gegen unsichtbare Mühlen ficht. Gegen höhere weltliche Mächte. Gegen das Laufrad der gnadenlosen Geschichte. Gegen den Atem der menschlichen Zeit. Harmloses Wasser im Anfang. Wasser, das Pfützen bildet und zueinander überläuft. Wasser, das sich am Hindernis staut und in Bewegung gerät. Die mächtige Flut, die keine Rücksicht kennt, alles mit sich reißt, dem Spuk ein Ende macht.

Am Ende bleibt die kahle Wand. Auf ihr der hingesprayte Fluch. Weithin gut zu entziffern. Brutal in den Raum gestellt. Die blanke, dunkle Wut. Drei Buchstaben nur. Und doch. Ein Schriftzug. Wie ein schwarzes Brett. Eine emotionale Anzeigetafel. Ein richtig gefährlicher Eckensteher. Nicht nebenher auf grauen Putz gehauen. Nicht im Vorübergehen leichtfingrig hingesprüht. Bei vollem Bewusstsein hingerotzt. Wut, die einem bis zum Hals steht. Wut, die einem die Kehle quetscht. Das Äußerste - die innere Gefühlslage. Schluss - Aus -Nicht weiter! In großen Lettern auf schlichte Wand gebracht. Dass man meint, die Fassade bricht ihr Schweigen für diesen einen Wutausbruch. Ein Wort gewordener Ausbruch. Für den, der lesen kann. Nicht für ein Kind, das die Arme gebreitet ein Flieger ist und gegen den Bildrand anstürmt. Nicht für diesen kindlichen Drachen, der längst über beide Bilder schwebt. In unnachahmlicher Ruhe. Von Elementen getragen, die übermenschlich sind. Raum, Zeit, Wind und Geduld.

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© uinic - Pat Binder, Gerhard Haupt

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Denkzeichen 4. November 1989